Shokz OpenRun Pro angehört: Knochenschall-Kopfhörer für Sportler halten die Ohren frei

Marcel Am 22.05.2022 veröffentlicht Lesezeit etwa 8:24 Minuten

Vor allem jene, die häufig mit dem Rad unterwegs sind oder regelmäßig laufen gehen, wissen: Musik – wahlweise auch ein Podcast – kann es angenehmer gestalten. Nicht nur, dass man sein eigenes Keuchen nicht mehr mitbekommt, kann die Untermalung auch für ein Mehr an Leichtigkeit und Motivation sorgen. Dies kann aber auch für Probleme sorgen, vor allem wenn man nicht im abgelegen Wald unterwegs ist, sondern auch in Nähe des Straßenverkehrs. Da dröhnen sich gerne mal die volle Lautstärke in die Gehörgänge, je nach Vorlieben auch noch im Form von Over-Ear-Kopfhörern oder solchen mit aktiver Geräuschunterdrückung. Kann man machen, wenn man Krankenhausaufhalte bevorzugt – im besten Falle. Halte ich – im wahrsten Sinne des Wortes – für existenziell, dass man sich im Straßenverkehr nicht völlig von seiner Umwelt abschottet, sondern seine Umgebung weiterhin wahrnehmen kann.

Mögliche Lösungen wäre entweder, nur einen Ohrstöpsel zu nutzen oder die Musik entsprechend leiser zu drehen – was dennoch für Ablenkung sorgen kann. Eine ganz andere Herangehensweise findet man beim Hersteller Shokz (vormals AfterShokz), welcher bei seinen Produkten durch die Bank auf die so genannte „Bone Conduction“-Technologie setzt, zu Deutsch Knochenschall. Einfach gesagt werden die Schallwellen (sprich „Ton“) nicht über den Luftstrom zum Trommelfell übertragen, sondern gelangen durch Vibrationen über den Schädelknochen direkt in das Innenohr. Der Vorteil: Neben der geringeren Wahrscheinlichkeit für Hörschädigungen bleiben die Ohren frei und man bekommt weiterhin Umgebungsgeräusche mit. Nachteile sind natürlich, dass der Sound nicht mit klassischen Kopfhörern zu vergleichen ist. Wie sehr die Vorteile aber die Nachteile aufwiegen und ob die Knochenschall-Technik ein annehmbarer Kompromiss ist, konnte ich auf den letzten Laufrunden mit den Shokz OpenRun Pro ausprobieren.


Beim ersten Auspacken auffällig: Doch einiges an Plastikmüll. Der Umkarton selbst ist in einer Folie eingepackt, die Kopfhörer – oder besser gesagt das Transporttäschchen – ist ebenfalls nochmal mit einer Folie versehen und das Ladekabel ebenso. Ist in meinen Augen absolut nicht notwendig, da auch ohne alles sauber und sicher verpackt wäre. Dies ist natürlich kein Kritik- oder K.O.-Punkt für das Produkt an sich, trotzdem fällt auch dieser Punkt im Jahr 2022 natürlich recht zügig ins Auge. Ansonsten war es das dann auch tatsächlich schon mit dem Lieferumfang: Transportcase, Kopfhörer und ein magnetisches Ladekabel. Hier wiederum tut man der Umwelt – ob bewusst aus Umwelt- oder wirtschaftlich aus reinen Kostengründen – etwas Gutes und verzichtet auf einen zusätzlichen USB-A-Netzstecker, den die meisten Haushalte heutzutage im Haus haben.

Das Design der OpenRun Pro würde ich (von der „Andersartigkeit“ abgesehen) als schlicht bezeichnen, wobei der beige Farbton des Textexemplars natürlich zusätzlich dazu beiträgt; Alternativ stehen auch Schwarz, Blau und Rosa zur Wahl. Herzstück der mit 29g eher leichten Kopfhörer sind die Transducer, die etwa 2,4 Zentimeter in der Höhe, 1,2 Zentimeter in der Breite und 1,7 Zentimeter in der Tiefe messen. Die Transducer gehen nahtlos in die Ohrbügel über, anschließend folgen nochmal Verdickungen, welche die Akkus mitsamt des induktiven Ladesteckers und die weiteren Bedienelemente beherbergen. Verbunden sind die beiden Seiten wiederum mit einem Kopfband, welches in der Größe nicht verstellt werden kann. Die äußerste Schicht der OpenRun Pro ist mit einer Silikonschicht überzogen, darunter soll ein umlaufender Titanrahmen für Stabilität sorgen – wobei die Kopfhörer dennoch sehr flexibel und biegsam sind.

Die Verarbeitung der Kopfhörer ist einwandfrei, sodass es per se nicht viel zu bemängeln gibt. Durch die Silikonschicht wirken die Kopfhörer wie aus einem Guss und an jenen Stellen, wo es zwangsläufig Spaltmaße gibt, sind diese sauber. Die Buttons besitzen einen angenehmen Druckpunkt, dürften aber für mich gerne noch leichter zu betätigen sein; dazu aber später noch etwas mehr. Die Silikonschicht fühlt sich hochwertig an und trägt natürlich ihren Teil dazu bei, dass die Kopfhörer nach IP55 zertifiziert sind – sprich vor Staub und Feuchtigkeit geschützt, sodass auch eine Nutzung im Regen bedenkenlos möglich ist. Die Transporttasche ist ganz emotionslos als zweckmäßig zu bezeichnen und zeigt ebenfalls keine Schwächen, da haken die Reißverschlüsse ja schonmal ganz gerne.

Die Verbindung erfolgt via Bluetooth 5.1, da gibt es nicht viel zu sagen. Die Kopplung war flott und ohne Probleme erledigt, auch die erneute Verbindung nach einem Aus- und Einschalten der Kopfhörer verlief ohne großes Zögern. Latenzen bei der Wiedergabe sind ebenfalls zu vermissen, sowohl bei Video-Audio-Verbund (lies: Videos mit Ton) als auch beim Überspringen oder Vorspulen innerhalb Songs. Die OpenRund Pro unterstützten dabei auch Multipoint-Pairing und können so mit zwei Geräten gleichzeitig verbunden sein. Beispielsweise mit dem Smartphone und dem Rechner: Kommt nun während der Musikwiedergabe vom Smartphone ein (Video-)Call auf dem Rechner an, wird das Gerät automatisch gewechselt. Muss man natürlich schauen, wie es sich in der Praxis für einen nutzt oder eher von Audioquelle zu Audioquelle springt.

Was den Tragekomfort betrifft, war ich zugegeben skeptisch, denn letztlich sitzen die Kopfhörer nur locker auf dem Wagenknochen vor dem Ohr. Ist zunächst ungewohnt, es kehrt aber schnell eine Gewöhnung ein. Durch das geringe Gewicht von 29 Gramm merkt man die Kopfhörer nach einiger Zeit gar nicht mehr und da auch bei längerem Tragen nichts in den Gehörgängen oder aufs Ohr drückt, auch nach Stunden noch angenehm. Egal ob beim Laufen oder auf dem Rad: Die Ohrbügel verrichten ihren Dienst und halten die Kopfhörer an Ort und Stelle, auch bei kurzzeitigen Sprints. Eine minimale Bewegung kann vorkommen, tut der Sache aber keinen Abbruch. Mit Brille war das Tragen ebenfalls unproblematisch, bei Fahrradhelmen muss man schauen, wie weit dieser in den Nackenbereich geht. Einziger Kritikpunkt: Der Nackenbügel ist sehr weit, sodass immer eine Lücke zwischen Hinterkopf und Bügel bestehen bleibt. Tut dem Halt keinen Abbruch und ist ein Style-Thema, dem sich Shokz mit dem OpenRun Mini angenommen hat.

Zur Bedienung stehen 2 + 1 Buttons zur Verfügung: eine große Multifunktionstaste auf dem linken Ohrteil sowie zwei kleine Schalter (für Power/Lauter und Leiser) an der Unterseite des rechten. Per Knopfdruck auf die Multifunktionstaste pausiert oder startet ihr die Wiedergabe, ein Doppelklick springt zum nächsten Song und ein dreimaliges Betätigen springt zum vorangegangenen Titel.Anrufe lassen sich durch einmaliges Klicken angenommen beziehungsweise beendet werden und per längerem Druck kann der Sprachassistent des jeweiligen Systems (Siri oder Google Assistant) aktiviert werden. Viele Funktionen, hat man aber schnell raus und ist auch während des Laufens kein Problem. Nerviger sind aber die Lautstärke-Buttons an der Unterseite des rechten Ohrteils: An die Position selbst gewöhnt man sich, allerdings schiebt man dadurch die Kopfhörer immer ein wenig nach oben, sodass man nachjustieren muss. Seitliche Buttons wären hier von Vorteil.

Für die Pro-Version wird erstmals auch eine App für iOS und Android angeboten, die zum jWtzigen Stand aber vernachlässigt werden kann. Ist ein wenig Glücksache, ob die App sich mit den Kopfhörern (trotz bestehender Bluetooth-Verbindung) verbinden lässt und wenn es dann einmal geschafft ist, hat man nicht viele Optionen. So kann man die Wiedergabe steuern und Lautstärke ändern und das Multipairing ein- oder ausschalten. Zuletzt kann auch der Equalizer-Modus ausgewählt werden, von dem es zwei zur Auswahl gibt: „Standard“ für Musik und „Gespräch“ für Telefonate, Podcasts und Co. Alles Dinge, die man auch direkt am Kopfhörer machen kann, der EQ-Modus lässt sich über gleichzeitiges Drücken und Halten der beiden Power-Buttons während der (Musik-)Wiedergabe wechseln. In wie fern die App noch nützlich werden kann, wird die Zeit zeigen (eventuell Firmware-Updates?), aktuell aber eher aus der Kategorie „App ist modern, brauchen wir“.

Die Akkulaufzeit des internen Akkus mit seinen 140 mAh gibt der Hersteller mit rund 10 Stunden an, in meinen Testläufen empfand ich 8 bis 9 Stunden eher realistisch – aber auch immer von der gewählten Lautstärke abhängig, da unterscheiden sich auch die Knochenschall-Kopfhörer nicht von klassischen Modellen. Eine vollständige Ladung nimmt 45 Minuten in Anspruch, nach 10 Minuten hat man bereits wieder 1,5 Stunden Musikgenuss auf in an den Ohren. Aufgeladen wird induktiv über das proprietäre Ladekabel – Im Mainstream dürfte die Wahl des Kabels kaum als Störfaktor empfunden werden, durch die Nerd-Brille hätte ich mir aber etwas anderes gewünscht: USB-C statt USB-A wären toll gewesen und ob man statt des Magneten nicht auf einen Stecker oder magnetischen Adapter setzen sollte, lasse ich mal offen.

Im Normalfall ist die Soundqualität der Kopfhörer wohl der wichtigste Punkt, bei den OpenRun Pro habe ich den Punkt bewusst weit nach hinten gesetzt. Bei Bone-Conduction-Hörern muss man zwangsläufig Kompromisse eingehen und die sind auch ohne besonders audiophile Ohren hörbar. Am besten sind die OpenRun Pro noch bei den Mitten, die durchaus gut klingen. Auch die Höhen werden noch ganz gut abgebildet, große Schwächen gibt es jedoch bei den Tiefen. Zwar weisen die Kopfhörer zwei Bassverstärker auf und er ist zum Teil vorhanden – dennoch darf man keine tiefen Bässe wie bei klassischen (auch günstigeren) Kopfhörern erwarten. Vergleichen kann man den Sound sicherlich am besten mit einfachen Küchenradios und auch ein alter Echo Dot kann als Vergleich herhalten. Persönliche Erfahrung: Während meinen Läufen – und vor allem während intensiveren Intervalleinheiten – habe ich den Bass kaum bis gar nicht vermisst, da liegt der Fokus auf anderen Dingen als fein abgestimmte Kopfhörer. m Bereich der Knochenschall-Kopfhörer liefern die OpenRun Pro dann doch sehr gut ab.

Bei Podcasts und der Telefonie schlägt sich der OpenRun Pro wiederum sehr gut. Durch die stärkeren Mitten wirken Stimmen überraschend klar und hier gibt es nur minimale Unterschiede. Für die Telefonie hat der Hersteller den Kopfhörern zwei Mikrofone spendiert, die Umgebungsgeräusche nicht immer perfekt, aber doch zum deutlichen Großteil herausfiltern. Die Sprachqualität ist hier sehr gut, was auch der ein oder andere Gesprächspartner bestätigte. Positiv empfand ich, dass man sich selbst beim Sprechen hört – auch nach einigen Monaten Videocalls finde ich das gedämpfte eigene Stimme bei In- oder Over-Ear-Kopfhörern noch immer merkwürdig. Ein Punkt, der hier natürlich entfällt. Denn egal ob Musik oder Podcasts: Man kann seine Umgebung, auch bei lauteren Lautstärken (auch hier kann die maximale Beschallung nicht ganz mithalten) nimmt man seine Umgebung noch ausreichend wahr und man kann ohne große Probleme eine normale Unterhaltung mit anderen führen, während Musik läuft.

Mein Fazit zu den Shokz OpenRun Pro? I like. Die Kopfhörer sind gut verarbeitet und bieten eine ausreichende Akkulaufzeit für die wöchentlichen Sporteinheiten. Dadurch, dass die Kopfhörer nur über den Ohren aufliegen und mit 29 Gramm fast federleicht sind, kommt auch nach mehreren Stunden kein unangenehmes Gefühl auf oder an den Ohren auf. Einzig und allein der Nackenbügel dürfte etwas weniger Spiel haben, was aber sehr subjektiv ist und sich von Kopf zu Kopf unterscheiden kann. Die Art der Musikübertragung ist nur zu Anfangs noch etwas ungewohnt. Bei der Audio-Qualität dürften die OpenRun Pro derzeit das beste darstellen, was die Knochenschalltechnik aktuell zu bieten hat – im Vergleich mit traditionellen Kopfhörern muss man aber insbesondere bei der Wiedergabe von Musik bauartbedingt größere Abstriche machen.

Ja, sie sind ein Kompromiss zwischen Klang und Sicherheit und im Zweifel wiegt letzteres schwerer. Natürlich richten sich die OpenRun Pro vornehmlich an Sportler, die auf den Füßen oder dem Rad im Straßenverkehr unterwegs sind und weiterhin in der Lage sein wollen, ihre Umgebung ohne große Einschränkungen wahrzunehmen. Klar, Ablenkung durch die wiedergegeben Inhalte sind weiterhin möglich, schweift man gedanklich aber zu tief ab, sollte man die Beschallung unterwegs grundsätzlich überdenken. Aber auch im Büro können die Kopfhörer einen Einsatz finden, sodass man für Kollegen trotz Musikbeschallung ansprechbar ist, ohne erst die Musik zu pausieren oder die Kopfhörer abnehmen zu müssen. Die angeschlagenen 190 Euro sind natürlich eine Ansage, insbesondere wenn man sich nicht zur Zielgruppe zählt. Hat man jedoch Bedarf und ist auf der Suche nach jener Art der Technologie, macht man mit den OpenRun Pro nicht viel verkehrt.

Dieser Artikel wurde mir vom Hersteller als Testmuster zur Verfügung gestellt. Mehr Infos

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