Marshall Mid Bluetooth: On-Ear-Kopfhörer mit Vintage-Ambitionen ausprobiert

Marcel Am 05.03.2017 veröffentlicht Lesezeit etwa 7:32 Minuten

Der Name Marshall und vor allem der Anblick der berühmten Verstärker dürfte Fans von handgemachter Rockmusik und vor allem Gitarristen feuchte Augen bereiten, denn kaum eine andere Firma dürfte so sehr für Rock’n’Roll stehen, wie das von Jim Marshall im Jahre 1962 gegründete britische Unternehmen. Seit einigen Jahren gibt es die Marke Marshall nun aber auch schon im Consumer-Bereich, sinnigerweise ist man mit Lautsprechern und auch Kopfhörern auf dem Markt vertreten. Gut, so ganz korrekt ausgedrückt ist dies nicht, denn die Consumer Produkte unter dem Label Marshall Headphones werden nicht von der Marshall Amplification PLC produziert, sondern von Zound Industries, zu deren Marken unter anderem auch Urbanears gehören.

Aber dass man seinen legendären Namen nicht für Nonsens raushaut hat man (unter anderem) bereits mit dem Marshall Major II Bluetooth bewiesen, welchen ich vor einigen Monaten hier vorgestellt und in den ich mich auf Anhieb verliebt habe – vor allem weil er sich auch optisch von dem teils herrschenden Hipster-Einheitsbrei abhebt und dem typischen, markanten Marshall-Design treu geblieben ist. Nun hat Marshall Headphones (der Einfachheit halber bleibt es im folgenden einfach mal bei Marshall) nachgelegt und mit dem Marshall Mid Bluetooth (Amazon-Link) ein neues Premium-Modell auf den Markt gebracht, das natürlich den Vergleich aufzwingt. Ob dieser genauso wie der etwa halb so teure Major II BT überzeugen und den Funken überspringen lassen kann?

Design nett, Verarbeitung top

Wie auch der Major II Bluetooth besitzt auch der Mid Bluetooth ein Design, welches unverkennbar an die legendären Marshall-Verstärker erinnert und seinem günstigerem Bruder in den Grundzügen ähnelt. Allerdings besitzt der Mid Bluetooth deutlich weniger Ecken und Kanten, stattdessen gibt es deutlich mehr Rundungen. Neben der Optik ist aber auch die Wahl der Materialen einer der größten Unterschiede, denn während der Major II noch komplett mit Kunststoff daherkam, setzt man beim Mid Bluetooth auch auf Metall. Genauer gesagt besteht der mit weichem Schaum-/Kunststoff in Lederoptik überzogene Bügel aus schwarzem Metall, ebenso wie auch die beiden Gabeln, die die Ohrmuscheln mit besagtem Bügel verbinden und neben dem natürlich sehr präsenten Marshall-Schriftzug zu den markantesten Elementen gehören.

Die Ohrmuscheln hingegen bestechen zwar mit einer Kunstleder-Optik, bestehen aber nur aus einem festen Kunststoff, während die Ohrpolster ebenfalls aus einem Kunststoff-artigen Material bestehen, sich aber sehr angenehm weich an die Ohren schmiegen. Insgesamt ein vergleichsweise unverspielter Look, der letztlich noch durch kleinere Details, wie zum Beispiel die güldenen Markierungen für die rechte und linke Ohrmuschel oder der Marshall-typische Multifunktionsbutton an der linken Ohrmuschel, aufgelockert wird. Mithilfe des kleinen Joystick lassen sich alle Funktionen eines Kopfhörers nutzen: Ein einfacher Druck startet oder pausiert die Wiedergabe, per Bewegung nach links, rechts, oben und unten lässt sich die Lautstärke verändern, der Song überspringen oder wiederholen. Hat mir bereits beim Major II BT gefallen, auch wenn man den Buttons anfangs noch etwas häufiger suchen muss.

Was gibt es sonst noch zu sagen? Die Metallstreben sind ganz leicht schräg angefrätst, sodass keine scharfen Kanten existieren. Die rechte Ohrmuschel beherbergt neben dem Anschluss für das MicroUSB-Ladekabel auch einen optionalen Anschluss für ein 3,5mm-Klinkenkabel – eine kleine LED zeigt hier außerdem den Betriebsstatus an. Für einen einfacheren Transport sollte sich der Kopfhörer auch einklappen lassen, was aber irgendwie nur so semigut funktionierte. Die leicht eingedrehten, freiliegenden Kabel standen zumeist im Weg, sodass die Kopfhörer schnell wieder aufklappten. Zieht man die Verlängerung der Bügel aber komplett heraus, erübrigt sich das – so ganz ist dies aber auch nicht Sinn der Sache. ¯\_(ツ)_/¯

Angenehmer Tragekomfort

Vorab: Ich bevorzuge eigentlich In-Ear-Kopfhörer, während ich Over-Ear-Kopfhörer, also solche, die das gesamte Ohr einschließen, absolut hasse. Sieht irgendwie immer merkwürdig aus, bei aller Abschirmung nach Außen. Daher sind On-Ear-Kopfhöhrer für mich ein guter Kompromiss, der Marshall in der Vergangenheit schon gut gelungen ist – und auch beim Mid Bluetooth sieht es nicht viel anders aus. Die Ohrpolster sind angenehm weich und schmiegen sich optimal auf die Ohren. Durch die leicht bewegbaren Ohrmuscheln passen sich diese mitsamt des Bügels deutlich mehr an den Kopf an und wirken aufgrund der geringeren Lücke zwischen Kopf und Bügel weniger wie ein verkappter Helm – wobei sich der Major II durch die mittigere Halterung der Ohrmuscheln noch etwas besser „ausrichtet“.

Die Geräuschunterdrückung ist ganz in Ordnung, bei On-Ear-Kopfhöhrern bekommt man eben keine völlige Geräuscharmut hin, zumal es eben keine Noice Cancelling Technik verbaut ist. Ist bei dem ein oder anderen aber auch so gewünscht und läuft erst einmal die Musik (auch auf geringerer Lautstärke), so bekommt man auch nichts mehr von der Außenwelt mit. Der Anpressdruck fällt beim Mid Bluetooth gefühlt ein wenig stärker aus als beim Major II, wird aber auch nach ein bis zwei Stunden nicht wirklich unangenehm – was bei größeren Kopfumfängen aber anders aussehen kann, wie ich von einer zweiten Person gehört habe. Dafür sorgt er im Alltag für einen sicheren Halt auf den Ohren und dem Kopf, lediglich bei schnelleren Bewegungen beginnt er ein wenig zu rutschen – er ist aber eben auch nicht für den Einsatz beim Joggen oder anderen Sportarten vorgesehen.

Ihre Stimme klang so zärtlich…

…und so sanft in meinen Ohr’n. Disclaimer: Klang und Sound ist immer auch Geschmacksache. Wer sich aber für einen Kopfhörer mit dem Marshall-Logo entscheidet, der erwartet sicherlich keinen komplett neutralen Sound – sondern einen rotzig, dreckigen Marshall-Sound mit ordentlich wumms. Diesen lässt der Mid Bluetooth aber ein wenig vermissen. Nein, der Kopfhörer klingt wahrlich nicht schlecht, so ist das wahrlich nicht. Der Klang kommt sehr klar und differenziert in die Ohren; Gesang, Gitarre, Bass, Schlagzeug und Co. lassen sich fein getrennt voneinander heraushören – es gibt doch nichts schlimmeres als ein großer Haufen „Musikmatsch“. Die Bässe und Höhen sind beim Setting leicht angehoben worden, gleichzeitig rücken die Mitten ein wenig in den Hintergrund. Trotz der kleinen Hervorhebungen ist der Sound doch recht ausgewogen und neutral gehalten…

…was natürlich dafür sorgt, dass der Marshall Mid Bluetooth mit vielen unterschiedlichen Musik-Genre funktioniert. Rock, aktuellen Chart-Pop, Country, Folk, HipHop, elektronische Musik – oder was euch sonst noch so einfällt, ich habe mal ein paar Spotify-Playlists anspielen lassen. Bei keinem Genre zeigt der Mid Bluetooth wirkliche Schwächen, dies muss man dem Kopfhörer sicherlich zu gute halten. Ebenso wie auch die Tatsache, dass der Mid Bluetooth auch bei höheren Lautstärken nur wenig zur Übersteuerung neigt, lediglich bei Instrumental-Musik wie zum Beispiel Nightwish wurde es bei maximaler Lautstärke ein wenig überzogen. Aber genau diese Ausgewogenheit im Klang ist das, was ich so nicht von Marshall erwartet habe.

Es muss ja nicht gleich ein Beats-Kopfhörer-Setting sein, die Bässe dürften für mich aber noch ein wenig mehr Dominanz und Wumms vertragen, der Sound dürfte insgesamt noch ein wenig dreckiger, rockiger daherkommen. Hier muss ich gestehen, dass mir der Marshall Major II Bluetooth ein Stück weit besser gefallen hat. Die technischen Daten stimmen zwar so gut wie überein, die Abstimmung ist aber ein klein wenig abgeändert worden. Immerhin ist die Lautstärke dann wiederum Marshall, denn hier hat man im Vergleich zum Major II nochmals ein wenig nachgelegt – ist auf Dauer fast schon ein wenig unangenehm im Gehörgang, was aber kein Kritikpunkt sein soll, kann man ja selbst festlegen.

Noch ein paar Randbemerkungen

  • Die Akkulaufzeit wird vom Hersteller mit rund 30 Stunden angegeben. Hängt natürlich immer von der Lautstärke (gemessen wird meist bei mittlerer Lautstärke) und eurer Bluetooth-Verbindung (je stabiler, desto akkufreundlicher) ab. Insgesamt aber kommt man ganz locker weit über die 24 Stunden. Ist der Akku dann doch einmal leer (bei mir war es einmal die Woche der Fall), so ist er nach etwa 1 bis 1½ Stunden geladen.
  • Die Bluetooth-Verbindung zwischen den Marshall Mid Bluetooth und dem Smartphone (oder einem anderem Wiedergabegerät) lässt sich binnen weniger Sekunden herstellen und machte während meines Tests keine Probleme. Laut Hersteller beträgt die Reichweite etwa neun Meter und zumindest bei einem Raumwechsel konnte ich keine Abbrüche feststellen.
  • Nutzt man ein Gerät, welches kein Bluetooth mit sich bringt (soll es ja auch noch geben), so kann man auch einfach das mitgelieferte Kabel nutzen. Funktioniert ebenso.
  • Das Kabel kommt ebenfalls im Marshall-Vintage-Look als Spiralkabel daher und besitzt goldfarbene Stecker, von denen einer um 90 Grad abgewinkelt ist, was Kabelbrüche zusätzlich verhindern soll. Sicherlich relevant: Mikrofone gibt es so gut wie gar nicht.
  • Möchte man zu zweit mit zwei unterschiedlichen Paar Kopfhörer Musik von einem Gerät hören, lässt sich der zweite Kopfhörer einfach per Klinkenstecker mit dem Mid Bluetooth verbinden und schon spielt auch dieser die Musik. Ganz nette Sache, wenn auch nicht neu.
  • Natürlich ebenfalls an Board: aptX, ein Audiocodierverfahren (inzwischen von Qualcomm), welches eine kabellose Übertragung in CD-Qualität erlaubt. Unterstützt das iPhone leider grundsätzlich nicht und auch im Reigen der Android-Smartphones sieht es noch ein wenig Mau aus, daher leider ohne wirkliche Wertung. Benötigt aber auch entsprechendes Quellmaterial.
  • Telefonieren mit dem Mid Bluetooth? Ist möglich – nicht mehr, nicht weniger…

Fazit und tl;dr

Das Design des 200 € teuren (UVP) Marshall Mid Bluetooth ist zwar vor allem durch den auffallenden Schriftzug und die markanten Metallgabeln noch immer als Marshall zu erkennen, im Vergleich zum Major II Bluetooth aber kommt er eine Spur weit schlichter und neutraler daher. Die Verarbeitung ist top, die Materialwahl „Metall“ hätte ich mir auch schon für den Bluetooth-Major gewünscht. Den Multifunktionsbutton hat man natürlich auch wieder an Board, diesmal sogar in einer erweiterten Form, denn neben der Wiedergabesteuerung dient er auch zum Ein- und Ausschalten des Kopfhörers. Finde ich noch immer „erfrischend anders“, wenngleich es am Anfang etwas ungewohnt ist und man den Joystick erst einmal suchen muss. Die Bluetooth-Verbindung ist stabil, die Akkulaufzeit absolut stark. Bis dato gibt es nur wenig zu kritisieren.

Wenn man etwas kritisieren möchte, dann ist das der etwas Marshall-untypische Sound des Mid Bluetooth. Keine Frage, ist Geschmacksache. Die recht ausgewogene Klang-Abstimmung mit vielen hörbaren Details findet sicherlich viele Freunde, vor allem wenn man sich zwischen mehreren Musik-Genre hindurch bewegt. Wer hingegen einen etwas rotzigeren Sound bevorzugt, der dürfte mit dem Major II Bluetooth wohl etwas glücklicher werden – gefiel mir klangtechnisch (und auch optisch) auch einen Tick besser, auch wenn er noch ein kleines Stückchen weiter von einem neutralen Klang entfernt ist.

Dennoch macht man nicht viel falsch, wenn man sich für den laut UVP rund 50 € teureren Mid Bluetooth entscheiden sollte. Auf der einen Waagschale gibt es eben den teureren Mid BT mit hochwertigeren Materialien und einem ausgewogenerem Sound – in der anderen Schale den etwas günstigeren, aber rotzigeren und optisch markanteren Major II BT…

Dieser Artikel wurde mir vom Hersteller als Testmuster zur Verfügung gestellt. Mehr Infos

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