Wie das insolvente Unternehmen Gigaset angekündigt hat, wird man in vier(!) Tagen die Server des Smart-Home-Systems Gigaset Elements abschalten und damit mit einem Schlag viel Elektroschrott produzieren.
Der ein oder andere wird mitbekommen haben, dass die Gigaset Communications GmbH im September vergangenen Jahres Insolvenz anmelden musste und im Januar in Teilen von der VTech Holdings Limited (genauer gesagt von deren 100%iger Tochter Snom Solutions GmbH) übernommen wurde. VTech kennt man hierzulande wohl in erster Linie als Hersteller von Lerncomputern und elektronischer Kleinkindbespaßung, in den Staaten ist VTech aber auch mit DECT- und SIP-Telefonen groß vertreten. Da passt die Übernahme von Gigaset doch mehr, als man im ersten Moment meinen möchte. VTech übernimmt jedoch nur die Telekommunikationsprodukte von Gigaset, nicht aber den Bereich Smart Home/Care, zu dem auch das Smart-Home-System Gigaset Elements gehört. Für diesen Bereich konnte man bis heute keinen Käufer finden und angesichts des Abschlusses der Übernahme zum 2. April 2024 hat Gigaset nun angekündigt, dass die Cloud-Dienste der Smart Home/Care Produkte zum 29. März 2024 eingestellt werden.
Die Cloud-Dienste der Smart Home/Care Produkte müssen daher zum 29. März 2024 eingestellt werden. Eine Aufrechterhaltung ist insolvenzrechtlich nicht möglich. Dadurch werden die Apps für die Smart Home/Care Produkte und die vernetzten Sensoren und Geräte nicht mehr nutzbar sein. Sollten Sie Kamera Service Pakete gebucht haben, enden diese ebenfalls spätestens zum 29. März 2024. Hinsichtlich sämtlicher ggf. bestehender Vertragsverhältnisse wird Nichterfüllung gewählt.Gigaset
Kein Tippfehler, man gibt Nutzern des Elements-Systems tatsächlich eine Gnadenfrist von vier(!) Tagen. Da das System vollständig auf eine Cloud-Anbindung setzt, hat man mit Ablauf des 29. März also einen ganzen Haufen Elektroschrott zuhause. Je nachdem, wie viele Steckdosen, Sensoren und Kameras man so in den letzten Jahren angeschafft hat. Ich fand das System damals ganz dufte und neben Devolos Home Control war Gigaset hierzulande das erste umfassendere Smart-Home-System, welches ohne viel Bastelei auskam. Vor allem die Fenster-Sensoren können bis heute punkten, da diese nur aus einer Komponente bestehen und neben „offen“ und „gekippt“ auch Vibrationen erkennen können. Das aber hilft alles nichts, wenn sich die Plattform wirtschaftlich nicht trägt und auch in zehn Jahren nicht wirklich weiterentwickelt – was natürlich ein Teufelskreis ist. Da kann man VTech durchaus verstehen, den Bereich außen vor zu lassen, denn alleine die genutzte DECT-UL-Technik in den Aktoren und Sensoren ist nicht zukunftstauglich.
Das macht die Sache aber nicht weniger ärgerlich für Nutzer. Aufgrund des proprietären Kommunikationsstandards lassen sich die Komponenten nicht in anderen Systemen nutzen (auch nicht über die Fritz!Box, trotz DECT). Es gibt zwar Integrationen in Systeme wie Home Assistant oder ioBroker, diese setzen aber auf die Gigaset-Server auf und versagen damit ebenfalls ihren Dienst, sobald die Server abgeschaltet werden. Da bleibt nur zu hoffen, dass sich vielleicht doch noch eine Lösung findet und der Quellcode öffentlich zur Verfügung gestellt wird. Das sichert zwar per se noch keinen Weiterbetrieb des Systems oder der Komponenten, gibt findigen Entwicklern aber eine kleine Möglichkeit. Aber das das passiert stelle ich mal in Frage und selbst wenn, hätte man erstmal über Wochen bis Monate ein nicht funktionierendes Smart-Home-System zuhause, bis es dann eine Bastellösung gibt. Kosten hin oder her – ich glaube so lange möchte niemand warten.
Klar kann man da ganz locker Phrasen wie „Deswegen niemals Cloud“ in den Ring werfen, das wäre aber nicht weit genug gedacht. Grundsätzlich stimme ich dem zu, dass man darauf achten sollte, dass Dienste im Notfall auch gänzlich ohne Internetverbindung funktionieren und möglichst offen sind. Das muss gar nicht mal Home Assistant sein, denn auch bei Zentralen wie Homey Pro oder homee kann das System weitergenutzt werden, wenn die Hersteller mal nicht mehr da sein. Und selbst wenn nicht, müsste nur die Basis gegen eine andere Zentrale eingetauscht werden, da die Komponenten über offene Protokolle wie Z-Wave, Zigbee oder auch Thread bzw. Matter funken. Trotzdem sollte sich die EU da vielleicht mal ein paar Gedanken machen, wenn man Herstellern schon einen Ladestecker vorschreibt. Rücklagen für den Weiterbetrieb bei einer Insolvenz sehe ich zwar wenig sinnvoll an, aber man könnte durchaus mal darüber nachdenken, ob im Falle einer Unternehmensabwicklung Spezifikationen und Quellcodes offengelegt werden müssen, sofern die (Urheber-)Rechte im sinkenden Boot verbleiben…
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