Recycling Fabrik: Recyceltes Filament aus euren alten 3D-Drucken und Fehldrucken

Marcel Am 23.09.2023 veröffentlicht Lesezeit etwa 5:29 Minuten

3D-Drucker sind schon eine feine Sache. Natürlich druckt man gerade am Anfang (sehr, sehr) viel Zeugs aus der Kategorie „Braucht man nicht, ist aber cool“, aber nach der ersten Phase des Spaßdruckens wird es irgendwann produktiver. Es kann schon sehr cool sein, die verschiedensten Dinge so zu drucken, wie man sie braucht und nicht darauf angewiesen zu sein, was Amazon und Co. anbieten. Wenn der Fundus von Printables, Thingiverse und Co. dann irgendwann nicht mehr ausreicht, geht es von Tinkercad zu Fusion 360 für die ersten CAD-Versuche. Doch egal, wie präzise man 3D-Druckmodelle entwirft: Abfall entsteht immer. Entweder Prototypen- und Testmodelle, Kalibrierungsdrucke, manchmal unvermeidliche Stützkonstruktionen und Brims, Fehldrucke oder einfach nicht mehr benötigte Druckergebnisse. Da kommt schon einiges an Kunststoff zusammen.

Bei den meisten 3D-Druck-Fans dürften diese Kunststoffteile im Hausmüll landen – ob das der richtige Ort ist, sei mal dahingestellt. Da es sich bei PLA, PETG und Co. aber letztendlich auch nur um geschmolzene und extrudierte Kunststoffe handelt, kam mir irgendwann der Gedanke, ob nicht ein Recycling sinnvoller wäre. Also „echtes“ Recycling und nicht die Entsorgung in der gelben Tonne, von der ein Großteil trotz hübscher Icons auf den Verpackungen doch nur verbrannt wird. Oder besser gesagt der energetischen Verwertung zugeführt wird, damit man immerhin so etwas wie Recycling im Verfahrensnamen hat. Schließlich gibt es Filament aus recyceltem Kunststoff, warum also nicht Filament aus Filament herstellen? Und siehe da: Nach kurzer Suche spuckte Google das Startup Recycling Fabrik aus Braunschweig aus, das sich genau das auf die Fahnen geschrieben hat: Aus euren 3D-Druck-Abfällen neues Filament herzustellen.

Um Filament herstellen zu können, braucht man natürlich – genau – Filament. Dieses kann kostenlos eingeschickt werden; das Versandlabel kann kostenlos auf der Website angefordert werden, einzig das Einsendelimit von mindestens zwei Kilogramm (und maximal 30 kg) muss beachtet werden. Angenommen werden derzeit PLA/PLA+ sowie PETG (die Einsendung anderer Filamente wie HT PLA o.ä. sollte man zuvor abstimmen), die einfach getrennt in Tüten gesammelt, beschriftet und dann in ein Paket gepackt werden können. Eine Sortierung nach Farben ist nicht zwingend notwendig, aber wenn ihr viele Reste einer Farbe habt, wird das sicher nicht ungerne gesehen. Auch leere (Kunststoff-)Spulen könnt ihr ebenfalls dem Paket beilegen, da so ein ganzheitlicher Kreislauf geschaffen wurde und das recycelte Filament auf jene gebrauchten Spulen aufgerollt wird.

Nachtrag: Nachdem die Ausgabe vin Versandlabel in der Vergangenheit immer wieder pausiert oder begrenzt wurde, ist das Team jüngst dazu übergegangen, Versandlabel nur für Käufer bereitzustellen. Die Begründung ist nachvollziehbar: Man bekommt mehr „Müll“, als man recyceltes Filament verkauft – entsprechend stapeln sich natürlich die Kartons. Wer in der Vergangenheit bereits Filament gekauft hat, ist ebenfalls berechtigt – für Neukunden gibt es mit dem Code RECYCLING5 einmalig 5 Euro auf die erste Bestellung.

Klaro: Schickt man immer nur die minimal geforderten zwei Kilogramm ein, ist das Konzept nur bedingt wirtschaftlich und erst recht wenig(er) nachhaltig. Vereinfacht kann man natürlich sagen, dass mit steigendem Paketgewicht auch die Nachhaltigkeit steigt. Um den Transportweg noch abzurunden, werden die Sendungen bewusst mit dem klimaneutralen Service „GoGreen“ von DHL verschickt – von Seiten des Paketriesen schwingt da natürlich ein gewisses Greenwashing mit, aber das dürfte derzeit neben dem kompletten Verzicht die CO2-freundlichste Lösung sein und zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Am Rande erwähnt: Für Unternehmen gibt es als Alternative zur klassischen Abfallentsorgung auch Dienstleistungen wie Auftragsrecycling und datenschutzgerechte Verwertung; für Schulen wiederum werden Workshops rund um das Thema Recycling angeboten.

Doch was hat man als Privatperson davon, seine Filamentreste zu Hause zu sammeln und einzuschicken? Zunächst einmal ein „besseres“ Gewissen. Ich trenne hauptsächlich nach PLA und PETG und zwei handelsübliche Müllsäcke im Keller aufzuhängen nimmt nicht viel Platz weg. Wer mag, kann sich auch ein Kundenkonto einrichten und erhält für seine Einsendungen Punkte. Pro unbeschädigter Spule gibt es 10 Punkte, pro Kilogramm Filament zwischen 20 und 100 Punkte. Letzteres variiert je nach Güteklasse der eingesandten Filamentreste: Von „stark verschmutzt und völlig unsortiert“ bis „sauber und nach Material sortiert“ gibt es insgesamt fünf verschiedene Einstufungen. Ein Punkt ist 0,02 Euro wert, die beim Kauf von Filamenten im hauseigenen Online-Shop eingesetzt werden können – bis zu 25% des Warenkorbwertes können mit Punkten bezahlt werden.

Bei den Filamenten gibt es zwei verschiedene Varianten. Grundsätzlich bestehen diese ausschließlich aus Einsendungen; zusätzlich gibt es mx-Filamente, die auch Verpackungsabfälle aus der Industrie enthalten. Vermutlich musste auf eine Mischlösung zurückgegriffen werden, um zum Start Filament anbieten zu können. Da auch auf Farbzusätze verzichtet wird, weisen die Filamente unterschiedlich stark ausgeprägte Farbverläufe auf. Und da sich die Farbzusammensetzung der Reste mit jeder Charge (wenn auch so minimal wie möglich) ändert, gleicht keine Charge der anderen. Derzeit stehen acht verschiedene rPLA-Filamente mit „lustigen“ Namen wie „Schlafender Flamingo“ oder „Giftiger Zombie“ zur Auswahl, deren Verfügbarkeit natürlich je nach Menge und Sortierung der Einsendungen schwankt. Die interessanten Farben mit Farbverläufen warten leider schon seit einigen Monaten auf einen Re-Stock. Der Preis für eine 1kg-Spule liegt derzeit bei runden 20 Euro, abzüglich der gesammelten Punkte sind es noch etwa 15 Euro.

Das Filament selbst kann wie typisches PLA gedruckt werden, die Empfehlung der Recycling Fabrik liegt bei 205°C, was aber natürlich von Drucker zu Drucker unterschiedlich sein kann – ehrlich gesagt habe ich zwischen den 205 Grad und dem Standard-Slicer-Profil mit 215/220 Grad keinen gravierenden Unterschied feststellen können. Der Durchmesser beträgt 1,75 mm ± 0,05 mm. Ja, Premiumhersteller erreichen Toleranzen von 0,02 mm, aber in dieser Preisklasse (mit oder ohne Punkte) sind die 0,05 mm in Ordnung. Gleiches gilt für die Wicklung des Filaments auf der Rolle, die Hersteller wie Prusa, Extrudr oder Fillamentum filigraner hinbekommen – vergleichbar ist die Wicklung mit typischen China-Herstellern wie Geeetech, Overture oder SUNLU. Auch bei der Vakuumierung kann man noch Verbesserungen vornehmen, zwei der vier Rollen waren zwar verschlossen, aber ohne Vakuum. Die (sehr) kleinen Behälter mit regenerierbaren Silicagelkügelchen sind zwar nachhaltig, waren aber bei Anlieferung in allen Beuteln bereits vollgezogen.

Die Qualität der Filamente? Für rPLA in dieser Preisklasse absolut in Ordnung. Was aber beim ersten Drucken aufgefallen ist: Die nicht mehr vakuumwerten Rollen ließen den Extruder hörbar knistern und wiesen deutlich mehr „Engelshaar“ (kein echtes Stringing, sondern dünnste Fäden) sowie nicht ganz gleichmäßige Schichten auf. An der Temperatur zu drehen brachte keinen wirklichen Erfolg (der testweise gedruckte Temp-Tower sah von 190 bis 210 Grad identisch aus), sodass die Rollen dann erstmal in den Ofen kamen. Sieht man davon aber mal ab kann ich aber über das Filament nichts Schlechtes sagen, nach dem Trocknen ließen sich die vier von mir bestellten Rollen (die drei Grautöne aus dem Tech-Bundle und Flaches Gewässer) problemlos drucken. Die gängigen Premium-Marken liefern noch etwas mehr Qualität, auf dem Preisniveau aber absolut vergleichbar und das Tech-Bundle könnte tatsächlich mein neues Prototyping-PLA werden.

Alles in allem kann ich für mich festhalten: Beim Filament gibt es einige spannende Farben, ich selbst drucke aber überwiegen mit PETG und das soll erst noch folgen (abgesehen vom Schwarz). Preislich gehen die Rollen in Ordnung (vor allem bei den Bundles), an der Toleranz und Wicklung darf man aber gerne noch optimieren, um sich von den China-Filamenten abzuheben. Was verbessert werden muss, ist die Trockenhaltung in den Beuteln und die Vakuumierung derselbigen, vor allem mit Blick auf PETG. Schade, aber nachvollziehbar, ist natürlich die Tatsache, dass man zumindest einmalig Filament gekauft haben muss. Letztlich muss auch ein Start-Up Geld verdienen und das geht über den Verkauf von Filamenten (oder eine Querfinanzierung der Dienstleistungen für Firmen und Schulen). Sofern sich der Verkauf aber mal den Einsendungen angepasst haben, sollen auch die Einschränkungen wieder aufgehoben werden, Mal sehen, wohin die Reise geht, aber als 3D-Druck-Fan sollte man die Recycling Fabrik auf jeden Fall im Auge behalten. In Sachen Nachhaltigkeit sicher nicht perfekt, aber in meinen Augen ein konstruktiver Ansatz mit Potential. Bleibt zu hoffen, dass sich das Konzept der Recycling Fabrik langfristig etablieren kann.

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