Entwickler-Interview mit Alexander Finkhäuser & Nicklas Wiegandt (MediathekView)

Marcel Am 22.12.2018 veröffentlicht Lesezeit etwa 9:25 Minuten

Seit einiger Zeit schon versuche ich interessanten Entwicklern hier einen Platz zu geben und sie im Rahmen eines kleinen Interviews ein wenig zu Wort kommen zu lassen. Hintergrundinformationen zu ihnen selbst und zu ihren Projekten, ein wenig aus dem Nähkästchen – halt ein lockerer Small Talk. Nun hat die #TheTalkinDEV-Reihe nicht ganz die ursprünglich erwartete Regelmäßigkeit, dennoch habe ich aktuell mal wieder einen kleinen Fragenkatalog an die Entwickler Alexander Finkhäuser und Nicklas Wiegandt schicken können, den mir beide beantwortet haben. Wer die zwei namentlich bis dato nicht gleich auf dem Schirm haben sollten: Alex und Nicklas fungieren seit Anfang des Jahres als Administratoren und Hauptentwickler von MediathekView.

Das Tool ist oftmals die Anlaufstelle #1 wenn es darum geht, Inhalte aus den Online-Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender (genauer ARD, ZDF, Arte, 3Sat, SWR, BR, MDR, NDR, WDR, HR, RBB, ORF sowie SF) herunterzuladen. Natürlich stehen diese inzwischen auch für eine gewisse Zeit online zur Verfügung, dennoch hat MediathekView eben den Vorteil, dass keine Anmeldung notwendig ist, sich alle Sparten an zentraler Stelle durchsuchen lassen und weitere Annehmlichkeiten. Ende 2016 lag das Projekt durch die Aufgabe des damaligen Entwicklers (Stichwort: Freizeit) brach, fand dann aber mit Alex und Nicklas noch kurz vor knapp interessierte Entwickler, die das Projekt weiter vorantreiben.

Hallo zusammen! Fangen wir doch mal mit einer Hand voll kurzen und knackigen Sätzen an: Wer seid ihr eigentlich, wie seid ihr zur Software-Entwicklung gekommen und was sollten die Leser noch über euch wissen?

Nicklas: Ich bin Nicklas, 23 Jahre alt und bin mit ca. 10 Jahren zur Software-Entwicklung gekommen als mein Vater, der auch Software-Entwickler ist, mich frage ob es mich interessieren würde wie, das Internet funktioniert. Anschließend habe ich HTML gelernt, weil mir das aber dann irgend wann zu blöd wurde jede Seite immer neu aufzubauen kam ich zu PHP und darüber nach einiger Zeit zu Java. Nach meiner dreijährigen Berufsausbildung zum Fachinformatiker Anwendungsentwicklung arbeite ich mittlerweile seit mehr als 4 Jahren Hauptberuflich mit Java.

Alexander: Mein Name ist Alexander, ich bin aktuell 25 Jahre alt und hab um 2008 angefangen, mich für Programmieren zu interessieren. Schon davor habe ich mich dafür interessiert, aber nur so ein paar „Basics“ gemacht. Mein Interesse wurde wieder geweckt, als ich mich dafür begeisterte, einen Ego-Shooter mit einem Freund nach zu programmieren. (Was für eine viel zu riesige Idee ^^),

Anfangen wollte ich da mit einer Homepage, weshalb ich dann erstmal HTML lernte. Da aber Tabellendesigns nicht so toll sind, lernte ich schnell CSS und XHTML dazu. Das reichte mir dann auch nicht, ich wollte dynamische Webseiten und lernte JavaScript und PHP. Dadurch stieß ich auf die Seite php-einfach.de und das dortige Forum, in dem ich lange Zeit sehr aktiv war und einige Freunde gefunden habe (Darunter auch Nicklas).

Bei PHP blieb es aber nicht und so lernte ich noch C, C++, Java und auch viele andere Sprachen kennen. Mittlerweile bin ich ausgebildeter Fachinformatiker Richtung Anwendungsentwicklung und arbeite bei einer kleinen Firma mit Sitz in Dinslaken und Düsseldorf.

Aber Software-Entwicklung ist gar nicht mal mein größtes Hobby, ich mache auch viel im Bereich Serverhosting und Netzwerk. Inzwischen betreibe ich mehrere Server und vServer, einerseits daheim und andererseits bei Hostern. Auch ein anderes interessantes Thema ist seit meiner Kindheit Elektronik, für mich gehören Elektronik und IT eng zusammen und ich entwickle auch gerne mal Schaltungen.

MediathekView dürfte für viele Leser sicherlich das bekannteste Projekt von euch sein. Wobei: Gibt es überhaupt andere nennenswerte Veröffentlichungen, die man unbedingt kennen sollte?

Nicklas: Noch nicht

Alexander: Aktuell gibt es keine nennenswerten Projekte, da viele angefangen und dann nicht vervollständigt wurden oder einfach eine Idee blieben. Meine kleinen privaten Projekte findet man meistens unter https://git.elaon.de .

Nun ist MediathekView kostenlos erhältlich und Open Source. Erfahrungsgemäß reichen Spenden nichtmal für eine einzige Person, daher muss Geld über einen anderen Job hereinkommen. Wieviel Zeit investiert ihr trotz alledem in die Entwicklung und Planung von MediathekView?

Nicklas: Durch einen auch sonst momentan sehr gut vollgestopften Terminkalender leider zu wenig. Das soll sich aber wieder ändern und wird auch schon wieder besser.

Alexander: Aktuell finde ich kaum Zeit für MediathekView, ich bin froh, wenn die Server laufen. Aber das wird sich, denke ich, in nächster Zeit auch wieder bessern.

Ihr habt MediathekView vor gut zwei Jahren übernommen. Wie kam es dazu und wie schnell habt ihr die Entscheidung gefällt, das Projekt weiterführen zu wollen?

Nicklas: Ich las bei Heise von der bevorstehenden Einstellung des Projekts was mich überraschte. Da ich diese nützliche Software nicht verlieren wollte schrieb ich direkt Alex an, dass wir da etwas tun müssen. Es ging also alles sehr schnell.

Solch eine Übernahme dürfte doch bereits ohne nur eine einzige Codezeile implementiert zu haben ordentlich an Zeit fressen? Wie lange lief die Übergangsphase und was würdet ihr im Nachhinein anders lösen?

Nicklas: Alex erhielt die Maintainerrechte an den Repositories und steckte da viel Zeit rein. Anfangs versuchten wir es noch die recht große Menge aufmerksam gewordener Entwickler über eine Art Social Media-Netzwerk zu organisieren, das wollte aber nicht so recht und von den doch recht vielen die sich damals meldeten blieb kaum einer. In Zukunft würde ich direkt auf einen Chat wie Slack oder Riot und ein Forum setzen. Zusätzlich sollte als allererstes im Github fest gehalten werden wie geholfen werden kann und man sollte sich gemeinsame Ziele setzen.

Euer Team umfasst inzwischen acht Leute. Wie und mit welchen Tools organisiert ihr die Zusammenarbeit und Arbeitsteilung?

Nicklas: Aktuell Riot.im in Kombination mit Github Issues, waffle.io und dem Forum.

Ein Tool wie MediathekView wirkt auf den ersten Blick in Zeiten von Streaming altbacken. Dennoch gibt es scheinbar einen regen Wunsch danach, Sendungen der ÖR-Sender zu sichern. Könnt ihr etwas zu den aktuellen Downloadzahlen oder gar zur aktiven Nutzung sagen?

Nicklas: Seit Beginn 2018 hatten wir rund 96.000 eindeutige Downloads, seit dem 07. September an dem die letzte Version raus kam, sind es aktuell rund 15.000. Aktive Nutzerzahlen haben wir nicht direkt aber ich würde auf Grund der Downloads auf + / – 10.000 schätzen.

Inzwischen gibt es ja auch eine MediathekView-Web-App – oder besser gesagt gehört Entwickler Patrick inzwischen offiziell zum Team. Wie gut wird die Web-App angenommen?

Nicklas: Sehr gut, es gibt viele die sich nicht erst etwas „installieren“ wollen und um schnell herauszufinden ob eine Sendung in einer Mediathek vorhanden ist und ggf. diese direkt zum offline Anschauen runter zu laden.

Die öffentlich-rechtlichen Sender bieten selbst eine Online-Mediathek mit Apps für allerlei Plattformen an. Status Quo ist aber, dass diese nach wenigen Tagen wieder gelöscht werden, auch aus lizenzrechtlichen Gründen. Ein Download-Tool wie MediathekView dürfte bei den ÖR-Sendern sicherlich keine Jubelschreie auslösen, oder?

Nicklas: Keine Jubelschreie aber auch keine offene Abneigung. Wir wollen uns mit den Sendern auch nicht anlegen. Sollte uns einer anschreiben, dass wir sie nicht mehr crawlen dürfen/sollen würden wir das auch unterlassen, das hat von den ÖR bisher aber noch keiner getan. Die ÖR haben sogar selbst bereits über MediathekViewWeb berichtet.

Die Sender stellen doch bestimmt keine fertigen Schnittstellen für eine Auflistung der Sendungen und den Download zur Verfügung. Könnt ihr grob erklären, wie MediathekView arbeitet und worin die größte Schwierigkeit liegt?

Nicklas: Manche Sender wie z.B. das ZDF, in Zukunft die ARD oder auch der BR haben durch aus APIs die sie für Ihre eigene Webseite nutzen. Wenn wir auf solche stoßen und diese sich für unsere Zwecke verwenden lassen, versuchen wir diese auch zu verwenden, um auch für die Sender die Last möglichst gering zu halten.

Ansonsten durchsuchen/crawlen wir die einzelnen Webseiten ähnlich wie es z.B. ein Suchmaschinen-Bot tun würde. Um herauszufinden wo wir welche Informationen abholen können, hilft der Entwickler-Modus im Webbrowser ungemein, da dieser sehr gut aufzeigen kann, von wo welche Informationen in den Mediatheken der Sender geladen werden. Die größte Schwierigkeit liegt an der Inkonsistenz der Daten. 

Einerseits handhabt jeder Sender in seiner Mediathek die Daten anders, außerdem fehlen in der Mediathek manchmal auch einfach Daten oder stehen plötzlich wo anders. Gerade das Ausstrahlungsdatum ist etwas das gerne mal fehlt oder plötzlich bei zwei Sendungen in einem ganz anderen Feld steht.

Wenn ihr spontan dank einer Entwickler-Fee eine Sache an MediathekView von Jetzt auf Gleich und ohne Aufwand ändern könntet – was wäre das?

Nicklas: Den MediathekView Client-Code nach OOP aufgeräumt und möglichst sauber. Da sind einige Stellen drin die echt gruslig sind.

Es gibt bereits erste Tests der Sendeanstalten, Inhalte in den eigenen Online-Mediatheken dauerhaft und langfristig bereit zu halten. Wäre dies nicht der K.O.-Schlag für ein Tool wie MediathekView?

Nicklas: Nein, da gerade MediathekViewWeb eine super Suche über alle Mediatheken hinweg ist und der Desktop-Client MediathekView noch seine Abo-Funktion mitbringt mit der automatisch z.B. die neuste Folge der Lieblingsserie geladen werden kann.

Zuletzt gab es nach langer Wartezeit mal wieder ein größeres Update mit einigen Änderungen. Habt ihr schon grobe Pläne, wohin die Reise mittel- oder langfristig gehen soll? Oder gar Neuerungen, die bereits in der Mache sind?

Nicklas: Der Client soll moderner, performanter und zukunftssicherer sowie einfacher zu warten werden. Die Crawler sollen in Zukunft nicht mehr als ein Server laufen, sondern als verteiltes System arbeiten können, dass dann nur noch eine gemeinsame API anbietet. Durch solch eine API muss dann auch nicht mehr die komplette Filmliste als Datei geladen werden, sondern Clients können sich dann die Änderungen seit ihrem letzten Stand besorgen.

MediathekView ist in Java geschrieben. Einer der Vorteile ist sicherlich, dass Anwendungen ohne Anpassungen plattformunabhängig laufen. Dafür aber verzichtet man auf systemtypische Oberflächen und Features des Systems. Ist das noch zeitgemäß? Wenn ich daran denke, was macOS und Windows an Schnittstellen bieten…

Nicklas: Gerade da Oracle die Desktop JRE sterben lassen will ist das für den Desktop Client tatsächlich eine gute Frage, aber an sich ja. Wir haben weder die Zeit noch die Lust für jedes OS einen eigenen Client zu warten.

Noch nie den Gedanken an mobile Anwendungen für Android oder iOS gehabt? Wäre ja doch eine Möglichkeit, den Bereich „Open Source“ mit den Apps zu verlassen und die Zeit über Werbung zu refinanzieren?

Nicklas: Doch schon, da gibt es auch erste Ansätze. Das ist aber gerade wegen der Vorschriften der App Stores schwierig und MediathekViewWeb funktioniert ja auch mobil wunderbar.

Alexander: Zumindest für mich kommt was anderes als „Open Source“ nicht in Frage, da ich die Philosophie dahinter liebe.

Wäre ja doch eine Möglichkeit, den Bereich „Open Source“ mit den Apps zu verlassen und die Zeit über Werbung zu refinanzieren?

Nicklas: So bald wir anfangen mit MediathekView Geld zu verdienen werden die ÖR-Sender gegen uns vorgehen und dann wird es rechtlich schwierig. MediathekView ist unser Hobby, es soll uns Spaß machen. Geld wollen wir damit nicht verdienen.

Was sind die häufigsten Feature-Wünsche der Nutzer?

Nicklas: Was jetzt wirklich die häufigsten sind kann ich schwer sagen, die meisten Nutzer vermissen eher eine Sendung als ein Feature. Aber viele wünschen sich ein MediathekView das sich automatisch Updatet bzw. einfach 24/7 z.B. auf einem Raspberry Pi laufen kann.

Ich habe bei meiner WordPress-Plugin-Entwicklung den Eindruck, dass kostenlosen Tools zwar eine Wertschätzung entgegengebracht wird – aber bitte ohne monetärer Mittel und doch so, wie eine Bezahl-Software. Welche Erfahrungen habt ihr diesbezüglich gemacht?

Nicklas: Es gibt viele die sich einfach still freuen und MV nutzen. Aber es gibt auch durchaus einige die einen beleidigen, angreifen und Dinge fordern was das Zeug hält. Natürlich wissen diese Leute genau was alle Nutzer wollen, wie das sein muss und dass das doch gaaanz einfach geht…

Viele Nutzer, viele Anfragen. Worüber konntet ihr zunächst mal nur mit dem Kopf schütteln, im Nachhinein aber schmunzeln?

Nicklas: Da gibt es einiges was uns schon untergekommen ist von Verschwörungstheorien, dass die Regierung uns zensieren würde und deshalb Sendung XYZ gerade fehlt bis – hin zu Nutzern die beim beleidigen kreative Theorien zu Tage bringen: „@Nicklas2751: Dem Bildchen nach scheist [sic!] du ein ungezogenes Bübchen zu sein. Bist vielleicht auch einer der mehlstauballergischen [sic!] Bäckerlehrlinge, denen das Arbeitsamt die Umschulung zum Administrator (haha!) finanzierte?“

Ich sichere mit MediathekView regelmäßig Sendungen wie…

Nicklas: Die Heute-Show, Neo Magazine Royale, extra3, quer und vereinzelt interessante Dokus, Filme o.ä.

Alexander: Da bin ich ein schlechtes Beispiel.^^ Ich nutze MediathekView so gut wie gar nicht, aber das heißt nicht, dass sich das nicht mal ändert. Ich nutze gerne mal das Kodi-AddOn um mir sowas wie die Heute-Show anzugucken.

Mit welcher Person aus der IT würdet ihr gerne einmal zusammenarbeiten?

Nicklas: Ich hab’s nicht so mit Idolen und kenne mich was Namen an geht in der Szene nicht wirklich aus. Aber an sich mit jedem von dem ich etwas lernen kann und bei dem mich die Zusammenarbeit weiter bringt.

Alexander: Das ist eine interessante Frage, aber ich habe keine so wirklichen Vorbilder in der IT-Welt. Dazu kommt, dass meistens Englisch Grundvoraussetzung für eine Zusammenarbeit ist und ich da nicht wirklich mit Leuten arbeiten könnte bei meinem Sprachstand.

Ich liebe Open Source, weil…

Nicklas: …es hilft Dinge zu verstehen und gut gelöste Probleme nicht neu lösen zu müssen.

Alexander: …ich gerne verstehe wie die Systeme laufen, ich versuche Fehler immer selber zu analysieren und bastle mir gerne mal Debugausgaben in die Software ein. Auch halte ich es für manche Bereiche für essentiell offenen Code zu haben, ich sag nur Sicherheit/Verschlüsselung. Auch muss man viel weniger neu erfinden und ich würde gerne mehr Open-Source sehen.

Abschließend möchte ich mich natürlich noch bei den beiden für das kleine Frage-Antwort-Spielchen bedanken. Solltet ihr noch weitere Fragen an Alexander und Nicklas haben, schreibt sie einfach in die Kommentare, ich leite sie dann weiter.

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