Das Problem rund um die Apple AirPower

Marcel Am 30.03.2019 veröffentlicht Lesezeit etwa 5:15 Minuten

Ende aus, Mickey Maus. So in etwa könnte man die jüngsten Meldungen rund um die AirPower, die Qi-Ladematte aus Cupertino, zusammenfassen. AirPower ist bereits im Herbst 2017, quasi in einem Atemzug mit dem iPhone X, vorgestellt und angekündigt worden und sollte ursprünglich ab 2018 verfügbar sein. Monate um Monate vergingen, jedoch ohne irgendein Anzeigen einer baldigen Veröffentlichung – sieht man einmal von den immer wiederkehrenden Gerüchten um einen zeitnahen Marktstart ab. 2018 aber gab es nichts, ganz im Gegenteil hatte Apple leise, still und heimlich sämtliche Fotos auf der Webseite entfernt. Das Projekt schien inoffiziell tot zu sein. Dann keimte mit Auslieferung der ersten kabellosen AirPods-Ladecases nochmals Hoffnung auf, denn auf der Verpackung war die AirPower erstmals wieder zu sehen. Ein Trugschluss, denn wie Apple nun offiziell vermeldet hat, ist das Projekt „AirPower“ eingestampft worden.

Mehr noch: Man hat nicht nur ein Produkt eingestampft, sondern erstmals in seinem Tun ein angekündigtes Produkt nicht zur Markteinführung gebracht – was natürlich für ordentlich Schadenfreunde gesorgt hat. Ein wenig natürlich zurecht, denn es ist alles andere als gut, wenn man auf großer Bühne ein Gadget vorstellt, welches dann nach monatelanger Stille den Projekttod stirbt. Vor allem unter Steve Jobs war der (mit wenigen Ausnahmen) zeitnah zur Vorstellung stattfindende Marktstart eine von Apples Stärken – im Laufe der Jahre sind auch viele andere Hersteller dazu übergegangen, anstatt Geräte für „in 2-3 Monaten“ anzukündigen. Über die Gründe des Projektabbruchs schweigt sich Apple aus, gegenüber TechCrunch hat Dan Riccio, seines Zeichens Apples Hardware-SVP, nur ausgesagt, dass „AirPower will not achieve our high standards“. Also zu Deutsch: Der aktuelle Status war halt Kacke.

Im Grunde hatte Apple zwei Möglichkeiten: Die AirPower-Ladematte aufgeben oder trotz allem auf den Markt werfen – entweder mit den intern bekannten Problemen oder in abgespeckter Variante. Alle zweieinhalb Optionen hätten die Trolle aus den Löchern gelockt, das verkündete Ende ist jedoch ein mutiger und zugleich richtiger Schritt. „Die Qualität hat nicht gepasst“ – welcher Hersteller sagt dies gerne? Für Apple ungewöhnlich ehrlich. Liest man sich aber einmal durch die Kommentare zu entsprechenden Artikeln, stößt man häufig auf die Frage, was denn bitte so schwer daran sei, eine Ladematte zu entwickeln, die zwei oder drei Geräte aufladen kann (Paradebeispiel auf Twitter). Gibt es ja schon zur Genüge. Geht man auf diese Kommentare ein, kommt man recht schnell an den Punkt, an dem man merkt, dass über die Funktionalität der AirPower a) viel Unwissenheit herrscht und b) es den Leuten schlichtweg egal ist.

Natürlich gibt es schon seit Jahren Qi-Ladegeräte, die zwei oder mehr Geräte aufladen können. Das CHOETECH T535-S z.B. ist ein solches Gerät, dass mit fünf Ladespulen daherkommt. So kann es nicht nur zwei Geräte gleichzeitig laden, sondern bringt auch eine recht breite Abdeckung mit. Denn wer einmal ein Qi-Ladegerät ausprobiert hat, der wird das Problemchen kennen: Liegt das Smartphone (oder besser gesagt dessen Qi-Spule) nicht möglichst exakt auf einer der Spulen des Ladegerätes, werden sie nicht aktiviert und es fließt kein Strom. Etwas, was das T535-S zwar optimiert, aber auch hier ist es immer noch so, dass es freie Stellen gibt, an denen Geräte oder Geräte in bestimmten Positionen nicht geladen werden. Es ist zwar komfortabler, aber die Oberfläche ist nicht zu 100% ladefähig. Hinzu kommt, dass die maximale Leistung zwar bei 10 Watt liegt – werden jedoch zwei Geräte geladen, werden diese „nur“ noch mit jeweils etwa 5 Watt geladen.

Und hier kommt nun die AirPower ins Spiel. Oder besser gesagt: Wie sie Apple vorgestellt hat. Im Gegensatz zu anderen Qi-Ladegeräte wollte man keinerlei Kompromisse eingehen. Soll heißen: Man wollte eine wirklich 100%gie Ladeabdeckung gewährleisten, sodass man ein Gerät völlig blind und wahllos auf die Ladematte legen könnte. Noch dazu sollten sich bis zu drei Geräte gleichzeitig laden lassen. Und das nicht mit geteilter Leistung, sondern mit der maximalen Eingangsleistung der jeweiligen Geräte. Dies erfordert nicht nur stärkere Ladespulen, sondern auch mehrere Ladespulen, die dann so übereinander gelegt werden, dass sie an beliebiger Stelle aktiviert werden. Einer Patentskizze aus Februar 2019 zufolge wollte Apple seine AirPower wohl mit bis zu 32 Spulen ausstatten um die gewünschten Funktionalitäten zu bieten.

Jeder, der ein kabellos geladenes Gerät mal abnimmt und einmal die Hand auflegt wird feststellen, dass sie sich die (Lade-)Geräte auf den Kontaktseiten erwärmen. Zwar nur minimal, aber bereits bei nur einer oder zwei verbauten Spulen. Wie sollte dies dann erst bei 32 Spulen sein, noch dazu, wenn einige der Spulen völlig verbaut sind? Ein Thema, auf das einige Experten bereits kurz nach der Vorstellung eingegangen sind und das Projekt als eigentlich unmöglich bezeichnet haben. In Kombination mit den Meldungen, die von Problemen der Überhitzung berichteten, ergibt sich so ein rundes Bild: Apple scheiterte an den Gesetzen der Physik.

Das aber eröffnet neue Fragen: Was ist mit den Ladematten, die man im Hands-on-Bereich nach der Keynote 2017 gezeigt hat? Dass die Ladematten überhitzen, war zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit bekannt, irgendein Ass dachten die Apple-Ingenieure aber trotz allem auf dem Whiteboard zu haben. Denn wäre man nicht überzeugt davon gewesen, die Probleme zeitnah in den Griff zu bekommen, hätte man die Präsentation sicherlich gecancelt – einen Plan B gibt es sicherlich immer. Da man die Ladematte aber bereits in dieser „kompromisslosen“ Form vorgestellt hat, konnte man nun nicht dahergehen und weniger Spulen verbauen, die die AirPower dann eben nur zu einem weiteren Qi-Ladegerät unter vielen gemacht hätte, die im Vergleich zu dem erwähnten T535-S von CHOETECH keine Vorteile mitbringt. Oder hätte Apple doch diesen Weg einschlagen können?

Der Technik-Freund in mir sagt „nein“, denn AirPower in der angekündigten Form wäre eine Innovation gewesen, die man so aktuell noch nicht auf dem Markt findet. Lese ich mir aber die Kommentare zur Einstellung durch, wäre der Weg wohl möglich gewesen. Mit Ausnahme einer kleinen Tech-Blase wären die gravierenden Unterschiede in der Funktionalität wohl kaum jemandem aufgefallen – und damit meine ich die beliebige Ladeposition der zu ladenden Geräte. Ein Qi-Ladegerät, dass zwei Geräte laden kann, kann eben zwei Geräte laden – oder auch drei. Es ist in etwa vergleichbar mit den Kommentaren zu FaceID, die einen häufig darauf verwiesen haben, dass Android-Smartphones bereits seit einigen Jahren eine Gesichtserkennung boten. Dass diese aber im Gegensatz zu FaceID nur mit der Frontkamera realisiert wird und mehr schlecht als recht funktionierte war zunächst egal. Apple hat bereits existierende Ideen aufgefasst und Schwächen beseitigt – bei FaceID, bei AirPower und eigentlich allen anderen Geräten.

tl;dr? Mit der frühen Präsentation der AirPower hat sich Apple keinen Gefallen getan und es wäre wünschenswert, dass wieder wie zu Jobs-Zeit dazu übergeht, Geräte erst anzukündigen, wenn der Marktstart feststeht. Die aktuellen Diskussionen rund um die eingestellte Apple AirPower zeigen aber mal wieder deutlich auf, dass es abseits der Tech-Blase große Unterschiede in der Erwartungshaltung gibt. Feature X muss schlicht funktionieren. In diesem Fall heißt das: Ich lege das Gerät auf meine Ladeplatte und es wird geladen. Ein ähnliches Produkt, dass vorhandene Schwächen beseitigt und wohl ihren Preis hätte (die Rede war mal von 150-200 USD), wird „in der Welt da draußen“ oftmals nicht mehr als Innovation wahrgenommen – entweder weil man die Verbesserungen nicht einschätzen kann oder sie persönlich für unnötig erachtet. „Das kann mein Gerät Y schon lange und ist viel günstiger“ – den Spruch hat doch jeder Technik-Fan schon duzende Male gehört, wa?

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